Bruchsicherheit von Bäumen (V-Vergabelung)

Bei der täglichen Arbeit in der Baumpflege ist es von besonderer Bedeutung einschätzen zu können, ob bestimmte Kronenteile eines Baumes bruchsicher sind oder nicht, also zu beurteilen, ob die Gefahr besteht dass diese ab- oder auseinander brechen können. Das Einschätzen der Bruchsicherheit erfolgt i.d.R. visuell. In der Seilklettertechnik (SKT) können außerdem visuell sichtbare Symptome (Auffälligkeiten am Rindenbild eines Baumes) und das Schwingungsverhalten von Ästen, bei einer Beurteilung der Bruchsicherheit kombiniert werden.

Die Bewertung solcher Symptome ist nur einem Baumpfleger möglich, der über entsprechende Erfahrung in der visuellen Inaugenscheinnahme von Bäumen und über Fachwissen die Körpersprache der Bäume betreffend verfügt!

Eine besondere Form von Vergabelungen in Bäumen wird “V-Vergabelung” oder umgangssprachlich “Zwiesel” und “Druckzwiesel” genannt. Ich will im folgenden Artikel auf diese Form der Vergabelung näher eingehen.

In der Fachliteratur wird die V-Vergabelung im Unterschied zur U-Vergabelung definiert; die Buchstaben beziehen sich auf die Form der Vergabelung. Eine V-Vergablung besteht aus zwei gleichwertigen Stämmen welche sich aus einer spitz auseinander laufenden Vergabelung entwickelt haben. Bei der U-Vergabelung ist die Stelle an der die beiden Stämme zusammenkommen U-förmig. Laubbäume stabilisieren ihre Äste in der Nähe einer Vergabelung vor Allem mittels Zugholzfasern, also Holzfasern welche auf der Zugseite (meist Innenseite oder Oberseite) eines Astes sind. Bei U-förmigen Vergabelungen sind daher die Vorraussetzungen für eine statisch günstige und stabile Verbindung per se wesentlich besser als bei der V-Vergablung.

Im Folgenden will ich verschiedene Symptome beschreiben welche im Zusammenhang mit V-Vergabelungen auftreten können:

Ein Symptom welches oft bei V-Vergabelungen auftritt wird in der Fachsprache “eingewachsene Rinde” genannt. Mann erkennt bei eingewachsener Rinde dann nah am Mittelpunkt wo die Vergabelung beginnt, sich von beiden Seiten leicht aufwölbendes Gewebe welches genau in der Mitte wieder nach innen absinkt – wie wenn man von oben auf beide nebeneinander gehaltenen Fäuste blickt. Eingewachsene Rinde mit genau in der Mitte leicht aufgehelltem Gewebe signalisiert, dass an dieser Stelle Bedarf an Holz besteht, welches vom Baum nicht ausreichend erzeugt werden kann.

Unbehandelt verdickt sich nun im weiteren Verlauf dieser mittlere Bereich, was dazu führt, dass man eine art Rippe oder Ohr erkennt wenn man seitlich auf die Vergabelung blickt. Diese “Rippenbildung” ist der Versuch des Baumes ganze Jahresringe um die kritische Vergabelung herum zu bauen. Tritt bereits eine solche Rippe an beiden Seiten der Vergabelung auf besteht Handlungsbedarf und es sollte ein Fachmann zu Rate gezogen werden!

Im Laufe der Zeit kann sich nun diese Rippe vergrößern und in ihrer Form verändern. Sie kann einerseits länger und andererseits spitzer werden. Beides Symptome welche ernst zu nehmen sind und je nach Ausprägung besteht nun dringender Handlungsbedarf – der Baum sollte unverzüglich kontrolliert werden bzw. baumpflegerische Maßnahmen (Kroneneinkürzung oder Einbau von Seilverbindungen) eingeleitet werden.

Als Begleiterscheinung kann an der Oberseite der Vergabelung schwarzer Saftfluss sichtbar sein, welcher herab rinnt – nicht zu verwechseln mit Wasser welches an den Seiten aus der Vergablung fließen könnte! Dies ist ein Symptom für Bewegung in der Vergabelung – unabhängig von äußeren Einwirkungen – und es besteht akuter Handlungsbedarf: der Baum ist nicht mehr ausreichend Bruchsicher.

In der Fotodokumentation sieht man die V-Vergablung einer Weistanne (Abies Alba). Im Zuge der Baumfällung haben wir die kritische Stelle Stück für Stück zerteilt, so dass es uns und Ihnen möglich ist quasi in den Baum hineinzuschauen. Man sieht deutlich die nicht verbundenen Elemente, zwei Jahrringmitten. Es war noch keine ausgeprägte Rippenbildung vorhanden und lediglich eingewachsene Rinde und eine einseitige Verdickung erkennbar. Trotzdem haben wir uns aufgrund der Gesamtsituation für die Fällung entschieden und wie man sehen kann zu recht – der Baum war akut Bruchgefährdet!

BILDER

Die oben beschriebenen Symptome und ihre Bewertung ist daher keinesfalls allgemeingültig (!) – jeder Baum ist individuell zu beurteilen und in jedem Fall sollte eine Fachfirma verständigt werden, wenn Sie sich unsicher sind ob Ihr Baum noch verkehrssicher ist oder nicht.

Bedenken Sie außerdem: Egal zu welcher Maßnahme sie einen Baumpfleger beauftragen, er ist immer Verpflichtet den Baum verkehrssicher zu übergeben oder Ihnen ggf. Auffälligkeiten die Stand- und Bruchsicherheit, also im weiteren Sinne die Verkehrssicherheit betreffend, mitzuteilen!

Mit freundlichen Grüßen Ihr Team von probaum-münchen